Herzoglich Nassauscher Kämmererschlüssel

Militaria aus dem Herzogtum Nassau ist selten zu finden. Kämmerer- oder Kammerherrenschlüssel machen da keine Ausnahme. Kämmererschlüssel sind weder Auszeichnung, im Sinne von Orden & Ehrenzeichen, noch Rangabzeichen. Sie sind vielmehr sichtbare Abzeichen der Amtswürde eines Hofamtes. Des Hofamts des Kämmerers. Sie schließen damit die Lücke zwischen Orden und Rangabzeichen.

Was versteht man unter dem Hofamt eines Kämmerers, bzw. Kammerherrn?

Im Hochmittelalter war es üblich, dass jedes königliche Haus Ämter zur Besorgung der Haushaltung hatte. Die ursprünglichen vier Hofämter waren Marschall (Stallmeister), Mundschenk (Aufseher der königlichen Weinberge bzw. Weinkeller), Kämmerer (Schatzmeister) und Truchsess (Vorsteher der Hofverwaltung). Der Kämmerer hatte die Aufsicht über die Kammer und den Schatz. Später verlor er diese Funktion an den Schatzmeister. Die königliche Hofhaltung wurde auch zum Vorbild für die Fürstenhäuser. Diese verliehen bestimmten Vasallen die so genannten Hofämter als erbliche Würde. Die Dienste erlangten den Charakter von Ehrendiensten und wurden schließlich nur noch bei besonders feierlichen Anlässen ausgeübt. Das Amt des Kämmerers wurde im Laufe der Zeit auch zu einem unbesoldeten Ehrenamt, das Zutritt zum Souverän verschaffte.

Der Kämmererschlüssel wurde zusammen mit der Uniform des Kämmerers an einem Portépée getragen. Der Schlüssel selbst hatte meist die Form eines herkömmlichen Schlüssels mit Bart, der jedoch außer der Zier, keine Funktion hatte. Da in der Regel nur der obere Teil des Schlüssels sichtbar war, der Rest des Schlüssels lag unter dem Portépée verborgen, verloren später einige Schlüssel ihre ursprüngliche Form zugunsten einer Spange, mit der der Schlüssel an eine Schlaufe der Uniform gehängt wurde.

Kämmererschlüssel des Herzogtums Nassau, letzte Form bis 1866. Feuervergoldete Bronze, 14,5 x 6,5 cm mit Portépée. Rückseitenansicht eines anderen, aber identischen Kammerherrenschlüssels.

Detailansicht des oberen Teils des Schlüssels. Ausgesägter, nassauscher Löwe, das Wappentier des Herzogtums Nassau. Von Hand polierte Oberflächen am äußeren Ring.

Detailansicht vom Portépée. Handstickereien aus vergoldeten Silberdrähten, im oberen Teil mit fünf (ursprünglich) vergoldeten Silberperlen verziert. Krone und Wappenschilder mit vergoldeten Silberpailletten verziert. Die Rückseite ist mit gelber Seide abgefüttert. Das vergoldete Silbergespinst teils stark gedunkelt.

Im Mittelteil die zweifache Initiale des 1864 herrschenden Herzogs Adolf von Nassau.

Ansicht eines identischen Kammerherrenschlüssels im Originaletui.

Adolf, Herzog von Nassau.

Am 24. Juli 1817 in Biebrich geboren regierte Herzog Adolf Wilhelm Karl August von Nassau als letzter Regent 27 Jahre lang Nassau, bis es 1866 unter preußischer Herrschaft fiel.

Als 1890 mit Wilhelm III. der letzte Oranier verstarb ging nach dem nassauschen Erbvertrag Luxemburg an Adolf, welches er bis zu seinem Tode 1905 als Großherzog regierte.

Das Herzogtum Nassau wurde im Jahre 1806 gegründet und hatte eine wechselvolle Geschichte bis zur Auflösung im Jahre 1866.

Das Heilige Römische Reich deutscher Nation hatte zu Beginn des 19.Jahrhunderts nach 900 Jahren ein Ende gefunden und neue politische Ordnungen bildeten sich. Die Geografie Europas wurde grundlegend verändert.

Am 17. Juli 1806 traten der Fürst Friedrich August von Nassau-Usingen und sein Vetter Fürst Friedrich Wilhelm von Nassau-Weilburg dem Rheinbund bei. Im Gegenzug erhielt dafür Fürst Friedrich August, der Älteste des Hauses Nassau, die Herzogwürde. Beide Fürsten fällten sodann die Entscheidung, ihre beiden Fürstentümer zu einem Herzogtum zu vereinen. Dies wurde am 30. August 1806 vollzogen. Das Herzogtum Nassau wurde allein durch den Willen Kaiser Napoleons ins Leben gerufen, unterstützt und mitgetragen durch die Entscheidung der beiden Fürsten. Dies ohne jegliche Wahlen, Krönungen oder Einbezug der Untertanen. Aus mehr als 20 vorher selbstständigen Teilen und Territorien, säkularisierten und ehemals dem Reich unterstellten Gebieten samt unterschiedlichen Bekenntnissen, Interessen und Hoffnungen wuchs ein gemeinsames Land. Das prosperierende Herzogtum hatte knapp 300 000 Einwohner, zu jeweils gleichen Teilen Lutheraner und Katholiken. Wiesbaden war mit rund 4000 Einwohnern die größte Stadt des Herzogtums, gefolgt von Limburg mit 2700 Bewohnern. Die Untertanen waren zumeist Bauern, Winzer oder Handwerker.

Die Grenzen des neuen Herzogtums Nassau verliefen entlang der Flüsse Main und Rhein bis nördlich an die Lahn. Es umfasste im wesentlichen das Gebiet zwischen Höchst vor den Toren Frankfurts, Biebrich, Rüdesheim bis zur Lahnmündung, große Teile des Westerwaldes mit den Städten Montabaur, Hachenburg und Marienberg, das Tal der Dill (Herborn, Dillenburg) und das Lahntal (Weilburg, Limburg und Diez).

Die neuen Herzöge erließen neue Gesetze wie zum Beispiel die Aufhebung der Leibeigenschaft (1806), die Einführung der Reise- und Niederlassungsfreiheit (1810) und eine grundlegende Steuerreform (1812). Entehrende Körperstrafen wurden aufgehoben und durch die Kulturverordnung förderte die eigenverantwortliche Verfügung über Grund und Boden.

Mit Gründung des Herzogtums 1806 gab es auch ein einheitliches nassausches Heer. Es wurde von Napoleon, dem „Paten“ des neuen Herzogtums, nach Belieben eingesetzt. Zunächst waren die Nassauer zum Beispiel Besatzungstruppen in Berlin (1806). Zwei Regimenter Infanterie und zwei Schwadronen Kavallerie musste für Napoleon in Spanien mehr als fünf Jahre kämpfen – es kamen nur die Hälfte der eingesetzten Nassauer zurück.

Nach dem Wiener Kongress 1815 wurde Nassau Mitgliedsstaat des Deutschen Bundes.

Nachdem sich das Herzogtum Nassau im Deutschen Krieg an die Seite Österreichs gestellt hatte, war es mit der Souveränität des Herzogtums Nassau vorbei. Es wurde 1866 von Preußen annektiert. Daran konnte auch der Sieg Nassaus über Preußen am 12. Juli 1866 vor den Toren Nastättens, in der Nähe von Wiesbaden, in der „Schlacht bei Zorn“ nichts ändern, denn es handelte sich – für damalige Zeiten – nur um ein für den Kriegsverlauf unerhebliches Scharmützel.

Der Kämmererschlüssel ist in einem Rahmen fest mit Zwirn befestigt. Da ich die alte Befestigung nicht lösen wollte, ist es mir nicht möglich die Rückseite des Schlüssels zu zeigen. Der Rahmen scheint etwa um 1867/68 angefertigt worden zu sein. Auf der Rückseite befindet sich eine handschriftliche Notiz, die auf den Träger und die Verleihungszeit hinweist.

Herzoglich

Nassauischer

Kammerherrn
schlüssel.

Verliehen am
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läum des

Herzogs von
Nassau dem

Freiherrn

Moritz von

Nauendorf

Das 25 jährige Regierungsjubiläum des Herzogs von Nassau und somit Tag der Verleihung des Schlüssels, fiel auf den 21. August 1864.

Vereinstaler auf das 25. Regierungsjubiläum des Regenten

Blasonierung des Familienwappens des Freiherrn von Nauendorf:
Durch einen mit drei roten Rosen belegten schwarzen Schrägrechtsbalken von Rot über Silber geteilt. Auf dem gekrönten Helm mit rot – silbernen Decken zwei Büffelhörner,
das rechte von Silber, Schwarz und Rot das linke von Rot, Silber und Schwarz geteilt.

Aus dem „Gotha“, Taschenbuch der adligen Häuser, Teil A von 1890, über das Geschlecht von Nauendorf:

Lutherisch. – Osterländischer Uradel mit gleichnamigen Stammhause zwischen Altenburg und Gera, Thüringen, der mit Heinricus de Naundorf 1197 urkundlich (sächsisches Haupt-Staatsarchiv in Dresden) zuerst erscheint und mit Christoph von Nauendorf, Herren auf Nauendorf, um 1380 die Stammreihe beginnt. Sein Enkel Dietze erwirbt zu dem Stammgut
noch Caasen und Großenstein. Dessen Urenkel Uzo († 1605) gelangt durch seine Vermählung mit Martha von Ende in den Besitz von Zeilsdorf. Letzteres geht jedoch unter seinem Enkel Hans Ludwig, wahrscheinlich infolge des Dreißigjährigen Krieges, welcher die Familie stark schädigte, und in welchem das Stammhaus von den Schweden bis auf die Grundmauern niedergebrannt wurde, wieder verloren. – Preußische Zuerkennung des Freiherrentitels auf Grund des dem Geschlecht im vormaligen Herzogtum Nassau gewährten Titels durch Heroldsamtsreskript, vom 13. Mai 1881. – Besitz: Das Majorat Nauendorf zwischen Altenburg und Gera.

Freiherr Moritz Adolf Heinrich Ehrenfried von Nauendorf, Herzoglich nassauscher Kammerherr und Königlich preußischer Hauptmann, wurde am 13. September 1832 zu Wiesbaden geboren und verstarb am 11. Oktober 1872 zu Nauendorf. Er heiratete am 18. September 1859 die Freiin Emilie Cäcilie Georgine Friederike von Langsdorff (geb. 14. Oktober 1835 zu Friedberg, gest. 10. April 1906 zu Wiesbaden). Sie hatten zwei Kinder. Emilie (geb. 30. Oktober 1864) und Moritz (geb. 8. Juli 1860, Kgl. preuß. Premierleutnant im Inf.-Reg. Nr. 138, Kgl. preuß. Major a. D. in 1914)

Sein Vater war Freiherr Adolf Heinrich Ludwig von Nauendorf (* 1781, † 1842), Herzoglich nassauscher Generalmajor und Flügeladjutant. Sein Großvater Gottlob (* 1752, † 1819) war nassauscher Oberst.
Nicht zuletzt diesem Umstand ist es zu verdanken, dass er eine militärische Laufbahn einschlug, indem der, nach dem Besuch des Gymnasiums in Wiesbaden, am 10. August 1846 in das Herzoglich Nassausche Kadetten Korps eintrat.

Dort blieb er bis zu ihrer Auflösung im März 1845. Er trat am 1. Januar 1850 in die Kriegsschule ein und blieb dort bis zum 1. September 1851. Am 1. November 1853 wurde Moritz von Nauendorf zum Unterleutnant im Herzoglich Nassauschen 4. Bataillon ernannt. 1855 wechselte er zum 1. Regiment Nassau und wurde dort am 26. April 1859 zum Oberleutnant ernannt. Am 21. August 1864 wurde er durch Herzog Adolf von Nassau mit der Würde eines Kammerherrn ausgezeichnet. 1862 wechselte er zum 2. Regiment Nassau. Mit Wirkung zum 30. Juni 1866 wechselte er zum Herzoglich Nassauschen Jäger Bataillon und wurde zum Hauptmann und Chef der 3. Kompanie ernannt.

Mit der Annektion Nassaus durch Preußen wurde er am 20. November 1966 als Hauptmann mit nassauschen Patent in das Offizier-Korps des Kurhessischen Jäger-Bataillons Nr. 11 im Königlich Preußischen Infanterie Regiment Nr. 67 übernommen, wo er sich im Krieg gegen Frankreich das Eiserne Kreuz II. Klasse erwarb.

Freiherr Moritz von Nauendorf war von 1868-1872 Kompanie-Chef im Infanterie Regiment Nr. 67. Laut der Offizier-Stammliste des Kurhessischen Jäger-Bataillons Nr. 11 nahm Freiherr Moritz von Nauendorf an folgenden Feldzügen teil:

– 1848 Schleswig Holstein und Baden
– 1848/49 Dänemark
– 1866 Preußen
– 1870/71 Frankreich: Schlacht bei Gravelotte, Einschließung von Metz,
Belagerung von Belfort (Ausfall- und Vorpostengefechte), Schlacht an der Lisaine und der Erstürmung von Pérone.

Das Offizierkorps des Jäger-Bataillons Nr. 11 wurde im Jahre 1813 begründet, als dieser Truppenteil ins Leben gerufen wurde. Zunächst fungierte es als Kurfürstlich Hessisches Garde-Jäger-Bataillon (1813-1832), dann als Kurfürstlich Hessisches Schützen-Bataillon (1832-1855), teilweise auch als Herzoglich Nassausches Jäger-Bataillon (1855-1866) und
schließlich nach der Einverleibung Nassaus nach Preußen als Königlich Preußisches Jäger-Bataillon Nr. 11 (1866-1918).

Dementsprechend sind es vor allem adelige Hessen und Thüringer, die das Offizierkorps des Truppenteils bildeten, die 1814 -1815 in den Befreiungskriegen gegen Frankreich fochten, 1849 gegen Dänemark eingesetzt wurden und 1866 als Mainzer Besatzungstruppe gegen Preußen kämpften. Seine Garnisonen hatte das Regiment in Kassel, Fulda, Biebrich am Rhein (heute eingemeindet nach Wiesbaden), Hagenau und schließlich in Marburg.

Etwa so wie den Offizier auf dieser Tafel muss man sich den Freiherrn Moritz von Nauendorf in der Uniform des Herzoglich Nassauschen Jäger-Bataillons um 1864 vorstellen.

Im Hintergrund das Grafenschloss Dietz, hoch über der Stadt Nassau an der Lahn.

 

Vom Sammlerwert eines Kämmererschlüssels

Der Sammlerwert eines solchen Kämmererschlüssels ist schwer zu ermitteln. Insbesondere der Nassausche wurde in der Vergangenheit kaum jemals angeboten, wie nassausche Militaria im allgemeinen. Während preußische oder bayerische Kämmererschlüssel öfters angeboten werden und mit Portépée je nach Typ etwa mit 1000,- bis 1500,- € zu Buche schlagen, konnte ich bisher nur einen nassauschen Kämmererschlüssel des vorletzten Typs in einer alten Auktion nachweisen.
Das Bild links stammt aus der 48./49. Auktion von Jan K. Kube, Sugenheim, vom 15. September 1984. Damaliger Auktionstext:

Lot 41:
Nassau:Kammerherrenschlüssel um 1830. Silber vergoldet, mit runder Krone über dem Wappenlöwen im Griff. Feine qualitätsvolle Anfertigung. Ohne Portépée. Prachtstück! Z 1
Damaliger Ausruf: DM 1800,- Zuschlag: DM 2800,- Preis incl. Aufgelder: DM 3675,- Entspricht: € 1880,-
Herr Kube war bereit den oben abgebildeten Schlüssel zum Ausruf von 2250,- € in seine 105. Auktion zu setzen.
Ein anderer bekannter Militariahändler bot mir 750,- € in bar. Somit lässt sich jetzt in etwa ein Marktwert abschätzen. Bei einer Wiener Auktion kam der o. a. Schlüssel im Etui auf 996,- € incl. Aufgeld. Im Jahre 2017 wurde ein identischer Schlüssel im Etui für ca. 2000,- € versteigert.

Historische und aktuelle deutsche Orden und Ehrenzeichen