Verdienstkreuz für Frauen und Jungfrauen

Schreiben Ihrer Majestät der Königin Augusta an des Königs Majestät, die Stiftung eines neuen Ordens für weibliches Verdienst während des Krieges gegen Frankreich betreffend.

Ew. Königliche Majestät haben beim Beginn des gegenwärtigen Krieges durch Allerhöchstdero Erlass und Verordnung vom 19. Juli d. J. zur Belohnung für das Verdienst, welches entweder im wirklichen Kampfe mit dem Feinde oder daheim in Beziehung auf diesen Kampf erworben wird, den Orden des Eisernen Kreuzes wieder ins Leben zu rufen geruht. Wie sich die deutschen Männer mit dem Heldenmuthe ihrer Vorfahren in der grossen Zeit der Befreiungskriege erhoben haben und in ruhmreichster Tapferkeit, von Sieg zu Sieg fortschreitend, kämpfen, so Wirken auch die Frauen des gesammten Deutschlands in grossartiger unermüdlicher Thätigkeit und Opferwilligkeit für das Wohl der Kämpfenden und deren Angehörigen.

Königliche Majestät würden zwar mit der Huld, welche den Thaten der Männer eine durch Preussens Geschichte geweihte Auszeichnung verheissen hat, auch der Vaterlandsliebe der Frauen, wie sie abermals in wahrhaft erhebender Allgemeinheit und Ausdauer jetzt sich bethätigt, in ähnlicher Weise durch den erweiterten Louisen-Orden Allerhöchstdero Anerkennung und den Dank des Vaterlandes kund geben können. Allein die Erweiterungs-Urkunden in Verbindung mit der Stiftungs-Urkunde vom Mai 1814 würden, indem sie, – für die gegenwärtigen Verhältnisse zu beengend, – die Preussische Unterthanenschaft als Bedingung der Verleihung beider Abtheilungen des Louisen-Ordens, andererseits für die erste Abtheilung eine gegenwärtig und durch Anwartschaften auch für die nächsten Jahre bereits erschöpfte Maximalzahl von 100 Verleihungen vorschreiben, Ew. Königliche Majestät Gnade Grenzen ziehen, welche ebenso unvereinbar mit den jetzt massgebenden Umständen sein, wie Königl. Majestät landesväterliches Herz und Deutschen Sinn befriedigen würden. Desshalb, und geleitet von meinem, in der Theilnahme an jenen Leistungen wurzelnden pflichtmässigen Bestreben, dem Verdienst, dessen Umfang und Höhe mir jeden Tag von Neuem vor Augen tritt, auch vollen Lohn zu verschaffen, gestatte ich mir, die Beseitigung jener Schranken, von Ew. Königl. Majestät Huld zu erbitten. Es könnte nun zwar im Verordnungswege die Bedingung Preussischer Unterthanschaft, und weil sonst die jetzige unmittelbare Theilnahme an der Krankenpflege ganz unbelohnt bleiben müsste, auch jene Maximalzahl der Verleihungen aufgehoben werden. Eine abermalige wesentliche Aenderung der Statuten, schon grundsätzlich unerwünscht, würde aber dem Louisen-Orden die ihm für alle Zeit zu sichernde, patriotische Bedeutung zum grossen Theile entziehen und überdies dem Geiste nicht völlig entsprechen, der in seiner Quelle und Tendenz wesentlich von dem sich unterscheidend, der in den Befreiungskriegen auch die Frauen Preussens gegen die Unterdrückung und, den Feind des Vaterlands sich erheben liess, in dem gegenwärtigen Kriege die Frauen Deutschlands beseelt. Diesem Geiste und den sonst massgebenden Verhältnissen entspricht es wie für die Männer, so auch für die Frauen einen besonderen, nur zur Belohnung des im jetzigen Kriege erworbenen Verdienstes bestimmten Orden, und zwar einen solchen zu stiften, der durch das Ordenszeichen sowohl Preussens Führerschaft im Kampfe als auch das Symbol, unter welchem die Frauenhülfe für ihn Sich entwickelt und sammelt, vor Augen stellt und daran mahnt, dass die jetzige Erhebung Deutschlands die Frucht des durch Preussens Thaten in den Befreiungskriegen gelegten und seitdem sorgsam von ihm gepflegten Keims ist. Ein solcher Orden entspräche seiner Bestimmung für Frauen aller Deutschen Stämme, er wäre durch seine Beschränkung auf die Thaten in dem gegenwärtigen Kriege eine besonders ehrenvolle, das Andenken daran stets wach haltende Auszeichnung, aus seiner Stiftung würde Preussen den Louisen-Orden als eine nur ihm gebührende Zierde erhalten.

Diese Erwägungen führen mich zu der Bitte, dass Ew. Königl. Majestät geruhen möchten, zur Belohnung des von Frauen im gegenwärtigen Kriege erworbenen Verdienstes anstatt der Verleihung des Louisen-Ordens einen besonderen Orden zu stiften, für den ich eine Dekoration nach der anliegenden Zeichnung und den Namen Verdienstkreuz vorzuschlagen mir erlaube. Für die Statuten eines solchen Ordens dürfte in Betracht kommen, ob dessen Verleihung auf eine bestimmte Zahl zu beschränken, welche Einrichtung zur Ermittelung der des Ordens würdigen Personen und zur Prüfung ihrer Verdienstlichkeit zu treffen sei und ob der Orden nur eine oder mehrere Klassen haben soll.

Die Festsetzung einer Maximalzahl der Verleihungen würde allerdings zur Erhöhung des Werthes des Ordens geeignet sein. Diese Zahl würde aber sehr hoch gegriffen werden müssen und dadurch der obengedachte Vortheil schwinden, eine derartige Beschränkung erzeugt erfahrungsmässig Verlegenheiten, und endlich steht es in Ew. Königl. Majestät Macht, die Zahl der Verleihungen thatsächlich in angemessenen Grenzen zu halten. Aus diesem Grunde vermag ich eine statutenmässige Festsetzung derselben nicht zu befürworten. Ebensowenig rathsam erscheint mir zur Vorbereitung der Verleihungen die Uebertragung der Capitel-Verfassung des Louisen-Ordens auf den neuen Orden. Das Capitel kann nur geringe Thätigkeit entwickeln, auch zu bedeutsamer Wirksamkeit kaum gelangen, hauptsächlich weil diese eine für Frauen weniger geeignete geschäftliche Richtung nehmen muss und weil sie der Natur der Sache nach, gegenüber der Capitels-Vorsteherin von bindendem Erfolge nicht sein kann. Dies hat die Erfahrung gelehrt und es tritt dem noch hinzu, dass das Capitel seine Thätigkeit über das gesammte Deutschland zu erstrecken hätte, und desshalb nicht füglich nur aus Preussischen Damen gebildet werden könnte, die Zuziehung anderer Deutscher Staatsangehörigen aber praktische Schwierigkeiten haben würde. Die Zwecke und Vortheile der Capitel-Verfassung möchten zu erreichen sein, wenn einerseits die Ermittelungen über die hervorragenden Leistungen der Frauen in die Hände von Personen gelegt wird, welche Gelegenheit zu umfassender Erkundung des Geleisteten und Fähigkeit zu sichtender Prüfung des Ermittelten haben, und wenn andererseits die demnächstige Auswahl der des Ordens würdigen und die Einbringung der Ordens-Vorschläge zu Ew. Königl. Majestät Entscheidung in einer Weise geregelt würde, welche eine vorgängige sachkundige Prüfung und volle Unabhängigkeit und Unpartheilichkeit bei der Auswahl verbürgt. Bei dem Central-Comité der Deutschen Vereine zur Pflege verwundeter und erkrankter Krieger und bei Ew. Königl. Majestät Commission für die freiwillige Krankenpflege concentrirt sich die Thätigkeit der Frauen für den Krieg und deren Kenntnis, in den Verbindungen mit den Vereinen aller Deutschen Staaten findet sich vorzugsweise die Möglichkeit umfassender zuverlässiger Ermittelungen und in den betreffenden Persönlichkeiten die Fähigkeit zur Ausscheidung der hervorragenden Leistungen und damit zur Gewinnung genügender Unterlage für die Auswahl der Ew. Königl. Majestät zu machenden Vorschlags. Wollen Ew. Königl. Majestät zu obigem Behufe die Bildung einer Kommission aus den vorgedachten Personen und einem die Geschäfte führenden Ordens-Secretair anordnen, dieser die Berichterstattung über ihre Ermittelungen an mich vorschreiben, und die Auswahl der des Ordens Würdigen sowie den Vorschlag zu dessen Verleihung mir zu übertragen geruhen, so dürfte, wie ich mir schmeichle, in befriedigender Weise und ohne die Unzuträglichkeiten der Capitel-Verfassung alles zu erreichen sein, was die Annahme der Letztern motiviren könnte.

Die Scheidung des Ordens in mehrere Abtheilungen und Klassen endlich hat bei dem Louisen-Orden als, zuträglich sich nicht erwiesen. Es ist eine scharfe und gerechte Sonderung der Dienste in unmittelbarer Krankenpflege von den sonstigen patriotischen Leistungen der Frauen kaum möglich gewesen, die öffentliche Meinung hat nicht die Gründe zu erkennen vermocht, aus denen gerade die erste oder zweite Klasse des Ordens verliehen werden und in Folge dessen hat es nicht ganz an unerquicklichen Kundgebungen gefehlt. Mit Rücksicht auf diese Erfahrungen und in der Erwägung, dass das Verdienst der Opferwilligkeit der Frauen dem Wesen nach bei allen Diensten und Leistungen der fraglichen Art seinem innerlichen Grunde und Werthe nach ein gleichartiges ist; und dass das Mass der Verdienstlichkeit doch immer nicht in voller Gerechtigkeit, abgewogen werden könnte, erachte ich es für rathsam, das Verdienst-Kreuz nicht in Abtheilungen oder Klassen zerfallen zu lassen.

Gestützt auf verstehende Erwägungen erlaube ich mir Ew. Königl. Majestät huldreicher Prüfung anbei den Entwurf der Urkunde über die Stiftung eines Verdienstkreuzes für Frauen mit der freundlichen Bitte vorzutragen, solchen, falls er Allerhöchstdero Billigung finden sollte, durch einen vielleicht wie bei Wiederbelebung des Eisernen Kreuzes geschehen, mit der Urkunde selbst zu veröffentlichenden Erlass, wozu gleichfalls einen Entwurf anbei zu überreichen ich mir gestatte, zur Cognition und Gegenzeichnung des Staats-Ministeriums gelangen lassen zu wollen.

Ihre Majestät die Königin Elisabeth hat als Protectorin der ersten Abtheilung des Louisen-Ordens, in welche den bestehenden Statuten nach die Auszeichnung des auch während des jetzigen Krieges durch unmittelbare Krankenpflege erworbenen Verdienstes fallen Würde, meinen in Vorstehendem dargelegten Wünschen vollkommen zugestimmt.

AUGUSTA.

Berlin, l2. November 1870.
Aus den Acten betreffend die Stiftung des Verdienst-Kreuzes.

Allerhöchster Erlass vom 22. März 1871, betreffend die Stiftung eines Verdienstkreuzes für Frauen und Jungfrauen.

Indem Ich der großartigen, opferfreudigen Tätigkeit, welche die Frauen und Jungfrauen des gesamten Deutschlands dem Wohle der Kämpfenden und der Angehörigen gewidmet haben und noch widmen, Meine volle Anerkennung zolle, fühle Ich Mich gedrungen, hervorragenden Verdiensten auf diesem segenreichen Felde durch ein gemeinsames Zeichen die Dankbarkeit des Vaterlandes zu sichern. Der Luisen-Orden vermag diesem Zwecke nicht zu dienen. Nach den Statuten darf die Verleihung der vor allem in Betracht kommenden ersten Abteilung desselben nur in der geringen, zur Zeit ohnehin erfüllten Zahl von Einhundert erfolgen, überdies sind beide Abteilungen jenes Ordens auf Angehörige der Preußischen Monarchie beschränkt. Zur Erreichung Meiner Intention ist demnach die Stiftung eines besonderen Ordens unerlässlich. In solcher Erwägung habe Ich die Mir vom Staatsministerium vorgelegte Urkunde über Stiftung des Verdienstkreuzes für Frauen und Jungfrauen vollzogen und veranlasse das Staatsministerium, diesen Erlass zur öffentlichen Kenntnis zu bringen.

Berlin, den 22. März 1871.

Wilhelm. An das Staatsministerium.

Urkunde über die Stiftung des Verdienstkreuzes für Frauen und Jungfrauen.
Vom 22. März 1871

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen etc. haben in Anerkennung der unermüdlichen und segensreichen Opferwilligkeit in dem nunmehr ehrenvoll beendeten Kriege für des Vaterlandes Ehre und Selbstständigkeit Deutschlands Frauen und Jungfrauen für das Wohl der Kämpfenden und deren Angehörigen gewirkt haben und noch fortwährend wirken, die Stiftung eines Verdienstkreuzes für Frauen und Jungfrauen, die solchergestalt um das Vaterland verdient gemacht haben, beschlossen und verordnen zur Ausführung dieses Unser Beschlusses, was folgt:

1. Das Verdienstkreuz wird von Uns, auf den Vorschlag Ihrer Majestät der Königin, Unserer Gemahlin, zu ehrender Anerkennung der Verdienste von Frauen und Jungfrauen verliehen, welche durch Pflege der im beendeten Kriege gegen Frankreich Verwundeten und Erkrankten, oder durch anderweitige Tätigkeit für das Wohl der Kämpfenden und deren Angehörigen sich ausgezeichnet haben.

2. Das Ordenszeichen besteht in einem Kreuz von schwarzer Emaille mit silbernem Rande, welchem ein rotes, weiß gerändertes Kreuz aufgelegt ist. Dasselbe ist ferner auf der Rückseite in der Mitte mit Unserem und Unserer Königlichen Gemahlin Namenszuge, in der oberen Spitze des Mittelbalkens mit der Königlichen Krone, in seiner unteren Spitze mit der Zahl 1870/71 versehen und wird an einem weißen, schwarzgeränderten Seidenbande mit gleicher Schleife und silbernem Ringe auf der linken Brust getragen.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel.

Gegeben Berlin, den 22. März 1871.

(L.S.) Wilhelm.